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Die Astrofotografie nimmt schon seit jeher einen besonderen Schwierigkeitsgrad in den verschiedenen Gattungen der Fotografie ein, und gelingt nur mit teurem Spezialequipment - sollte man meinen!  Aber spätestens seit Einführung der digitalen Spiegelreflexkameras ist Astrofotografie auch mit recht einfachen Mitteln möglich - und mit ein paar Mitteln mehr, gelingen atemberaubende Aufnahmen!

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Ich zeige hier, was mit moderatem (auch moderatem finanziellen) Aufwand bereits vom heimischen Innenstadt-Balkon möglich ist, und präsentiere meinen astrofotgrafischen Weg: von Freihand-Fotografie über statische Montage auf dem Foto-Stativ, einer manuelle Baumarkt-Holzkonstruktion bis hin zur motorisierten Nachführung

Prolog

Ich verfolge die Astrofotografie (oder: sie verfolgt mich!) schon seit nunmehr über 15 Jahren. Den ersten Kontakt zu Sonne, Mond und Sternen hatte ich im Rahmen meiner Facharbeit aus dem Phyik-Abitur. Damals noch mit einer Canon EOS 50E und zwei universal-Zoom Objektiven bis 200mm durfte ich mich mit "Astrofotografie mit einfachen Mitteln" befassen. Der Erfolg war überschaubar - die Mittel aber auch ganz andere als heutzutage. Noch auf Kleinbild-Film fotografierend war der Workflow enorm nervenaufreibend und zeitaufwändig: Klare Nacht abwarten, raus ins Feld, Fotos machen (zur Erinnerung: Ein Film hatte 36 Bilder!), mühsam und akribisch die Bilddaten notieren, Film zum Entwickeln geben....und...beim Abholen die Ernüchterung und Frustration unterdrücken... "Das Labor hat hier nix entwickelt. Die Fotos waren ja alle fast völlig schwarz!..." -> da capo!

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Mit heutigen Mitteln entfallen viele der Stolpersteine von damals! Zudem sind die sensoren heutiger Kameras um ein vielfaches empfindlicher als die damals schon utopischen 1600ISO der teureren Schwarz-Weiss Filme. 


 

Astrofotografie: die Herausforderungen
Licht - Bewegung - Schärfe - Wetter...und nochmal Licht

Zu behaupten, Astrofotografie wäre nicht schwerer als "konventionelle" Fotografie, wäre schlicht falsch. Hier ist nahezu alles anders! Regeln und Erfahrungen, die bei Tante Gunda beim 75. Geburtstag gelten, sind in der Astro-Welt wertlos. Ich möchte die größten Herausforderungen schildern:

Licht:
Naturgemäß findet der größte Teil der Astrofotografie Nachts statt (Auf reine Himmels-, Mond- oder Sonnenfotografie gehe ich an dieser Stelle nicht ein. Das sind wieder ganz andere Sparten). Nachts muss der Fotograf ohne Sonnenlicht auskommen. Das Licht der Sterne selbst muss ausreichen. Der Einsatz von Blitzgeräten hilft auch nichts (..es ist schon drollig, wie manchmal Vollmond oder Feuerwerk im Full-Auto-Modus der Kompaktkameras mit Blitz befeuert werden...).

Das Sternenlicht muss genügen! "Aber der Vollmond...der is doch auch hell! Mach doch deine Fotos bei Vollmond, hmm?" - Nein. Netter Ansatz, aber das läuft nicht. Tatsächlich ist der Mond so hell, dass er die meisten Sterne völlig überstrahlt. So ironisch es auch klingt: das ideale Licht für Astrofotos liegt in absolut stockdunklen, mondlosen Nächten vor, in denen die Sterne völlig für sich allein strahlen dürfen.
Das vorhandene Licht muss dann eben so lange und gut wie möglich eingefangen werden - die Belichtungszeit und die (Sensor)Empfindlichkeit sind die Schlüssel. Es muss lange genug belichtet werden, um eine möglichst große Menge Licht zu erhaschen. Die Empfindlichkeit muss so hoch gewählt werden, dass auch für das Auge unsichtbare Himmelselemente erkennbar sind - aber nicht so hoch, dass das ISO-Rauschen so grob wird, dass Körnung und Sterne die selbe Größe erreichen :-)


Bewegung:
"Im Osten geht die Sonne auf...." - jawoll, die Erde dreht sich! "Na und? Freilich dreht die sich! Was hat das mit deinen Fotos zu tun?". Die Erde dreht sich - auch während wir nachts Fotos schiessen! Ab einer gewissen Belichtungszeit-Brennweiten-Kombination sieht man das auf den Fotos! Wirklich! Stellen sie sich den Lichtstrahl vor, der von einem bestimmten Punkt des Himmels auf die Erde zeigt. Vielleicht stellen Sie sich diesen Lichtstrahl besser als riesengroßen Stift vor, der vom Stern auf ein Papier zeigt. Für die Zeit der Belichtung malt der Lichtstrahl nun auf das Papier - den Sensor der Kamera. Ist diese Zeit beliebig kurz, so malt der Lichtstrahlstift einen Punkt. Das ist unser Ziel. Einen punktförmigen Stern punktförmig abbilden. Jetzt verlängern wir die Zeit und lassen die Erde sich unter dem Stift drehen. Was wird geschehen: der Stift malt einen Strich! Die punktförmigen Sterne werden zu unscharfen Strichen. 

Je nach Brennweite treten diese "Strichspuren" schon bei 1/3s auf! Wie können wir unter solchen Bedingungen trotzdem möglichst lange und möglichst viel Licht einsammeln?? Das klappt entweder durch die Addition von Licht: es werden einfach mehrere, kurze Fotos des selben Himmelskörpers geschossen und dann am PC "addiert". Dieses "Stacking" (zu deutsch "Stapeln") ist wirklich ein Stapeln, als ob man z.b. mehrere Dias deckungsgleich übereinanderlegt. Die Sternbereiche, die ohnehin weiss sind, bleiben weiss. Das Schwarz wird durch das übereinanderlegen von mehreren schwarzen Bereichen schwärzer. Bereiche, die für das menschliche Auge vielleicht schwarz scheinen, aber vielleicht doch eine verschwindend geringe Menge Licht beinhalten, werden dann "nicht ganz so schwarz", so dass bei möglichst großem Stack immer mehr Details erkennbar sind. Das erledigt eine Software am PC...

Eine weitere Methode: Wir verhindern diese Strichspuren, indem wir das Blatt, auf das der Sternenstift kritzelt, in der selben Geschwindigkeit entgegen der scheinbaren Himmelsrotation bewegen. Der Stift bleibt mit seiner Spitze dann auf dem Papier (also: Lichtstrahl auf dem Sensor) immer am selben Fleck. Wir erhalten wieder ein punktförmiges Gemälde, jedoch deutlicher, satter, kontrastreicher, da der Lichtstrahl länger auf den selben Fleck malen kann. Diese Aufgabe übernehmen sog. astronomische Nachführungen bzw. Astro-Montagen. Ich kombinere beide Methoden. Mehr dazu später.


Schärfe: 
Die Fokussierung nachts mit dem Autofokus klappt schon mal garnicht - zumindest nicht optimal. Für Astro-Fotos fokussiere ich immer manuell. Doch gerade mit kleineren DSLRs oder geringwertigeren Objektiven ist das nicht so leicht getan wie gesagt! Mit meiner ersten DSLR (damals eine EOS 300D) war im Sucher vom Nachthimmel oft gar kein Stern zu erkennen, auf den fokussiert werden konnte. Und wenn doch, dann war das fokussieren im Sucher so fummelig, dass das Scharfstellen immer nur ein Welchsel von einer unscharfen Aufnahme zu nächsten war... Wie ich mit dieser Herausforderung umgehe: Später, in der konkreten Beschreibung des Shootings....

 

Wetter & Störlicht:
Eine nicht zu vernachlässigende Herausforderung: Das Wetter und der Standort. Das Wetter lässt sich leider nur schwer beeinflussen. Da kann man nur beobachten und prognostizieren, wie sich eine Wolkendecke über die nächsten Stunden entwickeln wird. Hier empfehle ich ausdrücklich den Besuch folgender Internetseiten:

Wolkenradar (zur groben Einschätzung, ob sich ein Astro-Projekt heute überhaupt lohn) auf www.sat24.com

Astrnomy Seeing - also der Gesamteinfluss auf die Klarheit der Luft: https://www.meteoblue.com/ - und dann in der Sparte "Air" den unterpunkt "Astronomy Seeing"

Direkt mit dem Seeing zusammenhängend sehe ich den zweiten "Licht"-Aspekt, und zwar das Störlicht! Inmitten Europas sind wir sehr dicht bevölkert, und jede Lampe, die wir auf der Erde einschalten, strahlt ihr Licht nach oben in den Nachthimmel. "Lichtverschmutzung" mag man das auch nennen. In der Innenstadt wird in der Regel so viel Licht in den Himmel emittiert, dass wir den Großteil des Sternenhimmels garnicht erkennen. Daher drei weise Worte eines befreundeten Astrofotografen: "Location! Location! Location!" - Wenn möglich: raus aus der Stadt, dahin, wo Fuchs und Hase nicht zum Gute-Nacht-Sagen vor die Höhle gehen, weil sie Angst im Dunkeln haben!! Auf http://www.avex-asso.org finden sich mehrere (riesengroße!) Karten, die die Lichtverschmutzung anzeigen. Suchen Sie sich hier einen möglichst dunklen Spot der Karte aus...oder erfahren Sie im letzten Kapitel, wie ich vom heimischen Balkon in der Innenstadt fotografiere ;-)

 


Die Ausrüstung:
Kameras, Objektive, Montagen

Seit den Tagen meiner ersten Ausflüge in die Astrofotografie mit der Canon EOS 50E hat sich technisch einiges getan - und ich habe mich bemüht, mit der Technik Schritt zu halten.

 

Die Kameras
Der Einstieg mit Canon EOS 50E und 1000FN ist lange her. in den letzten Jahrzehnten sind einige Gehäuse durch meine Hände gegangen (..ich lasse die Kompakten weg, und begrenze mich auf die DSLRs):
EOS 300D, 500D, 7D, 40D, 6D, 7DMkII

Die intensivsten Erfahrungen mit moderner Astrofotografie konnte ich mit der 500D sammeln - und die ist wahrlich kein Profi-Gerät sondern eher ein Gerät der Consumer-Klasse. Aber: technisch völlig ausreichend, um Fotos zu schiessen, die dem Betrachter das erwünschte "Wow!!" entlocken können.

Richtig interessant sind die neueren Generation wie 70D, 700D und vor allem 6D! Die 6D ist ein wahres LowLight-Wunder! Mit ISO 3200 sind hier noch Fotos möglich, die vom Rauschverhalten allenfalls mit einem ISO400 der 7D vergleichbar sind! In Hinblick auf die Astros: Prima! Empfindlicherer Sensor mit minimalem Rauschen! Perfekt!

 

Objektive
Mein allererstes Objektiv einer SLR war damals ein 35-80mm Zoom-Objektiv. Damit gelangen bereits die ersten Astro-Aufnahmen. Objektive dieser Klasse sind klein, leicht - und erschwinglich! Die Erfahrung zwingt mich aber zu folgender Aussage: 
An den Objektiven zu sparen, ist Sparen am absolut falschen Ende! 

Qualität hat einen gewissen Preis - aber das bedeutet nicht, dass hier zwangweise 100-EUR-Scheine über die Ladentheke wandern müssen.

Ganz klar: Ein Universal-Objektiv ist nichts für die Aatrofotografie!
Festbrennweiten! Keine Zooms! Nur eine Festbrennweite bringt durch solide Verarbeitung und wenig Lichtbrechung durch die verbauten Linsen die erhoffte Schärfe!

Ein Geheimtipp: In der Astrofotografie ist ein schneller Autofokus ungefähr genauso sinnvoll, wie ein Kühlschrank in der Antarktis. Warum also das teuere Bauteil bezahlen, wenn es ohnehin ausgeschalten wird? Ich habe sehr gute Erfahrungen mit voll-manuellen M42-Gewinde-Objektiven gemacht! Diese Objektive werden manuell fokussiert, die Blende wird ebenfalls per Hand gesetzt - und sie sind aber mit speziellen Adapter auch auf modernen Kameras anzubringen!

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Ein 135mm f:2.8 Objektiv mit hervorragender Abbildungsleistung konnte ich in nahezu neuwertigem Zustand für deutlich unter 100EUR kaufen!
Aktuell fotografiere ich Astro-Aufnahmen jedoch mit meinem Tamron SP 90mm f:2.8 Di VC USD Macro und dem Canon EF 200mm 2.8L USM II. Gegenüber den älteren Semestern haben die modernen Linsen doch die Nase vorn - aber für Einsteiger muss es nicht so ein teueres Objektiv sein!

 

Montagen / Stative 
Fotos von Sonne und Mond sind noch ohne Stativ aus freier Hand möglich. Einzelne Aufnahmen von Sonnenuntergang gehen vielleicht auch noch, Langzeitbelichtungen oder Deep-Sky-Objekte können nur noch mit einer fest montierten Kamera ausgeführt werden.

Konventionelles Dreibein:
Für Aufnahmen mit geringer Brennweite und überschaubarer Belichtungsdauer genügt der Astrofotografie ein herkömmliches, stabiles Dreibeinstativ. Ein hochwertiger Kugelkopf ist Pflicht. Lieber eine Nummer größer wählen - ein Kugelkopf, der unter Last absinkt, ist die Hölle! Meine ersten Aufnahmen habe ich selbst noch mit einem 20EUR-Stativ aus der Resterampe vom Baumarkt gemacht. Kann man vergessen! Der Plastik-Schwenkkopf, der da dabei ist, ist ein wahrer Frustspender.... Konkrete Kaufempfehlung: ich bin mit meinen Sirui-Köpfen zufrieden - aber andere Fotografen haben hier sicher höhere Ansprüche.

Wir kommen nun zurück zur Herausforderung "Bewegung". Bei längeren Belichtungen verschmieren die Sterne von Punkten zu Strichen - da das konentionelle Dreibein die Himmelsbewegung nicht kompensiert.

Bereits bei 8min Belichtungszeit mit 80mm (hier ein Scan eines der frühen Werke aus dem Jahr 1999 - man erkennt die unsägliche Körnung des Films!!) sind die Sterne als Linien abgebildet.

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 Für punktförmige Sterne oder Deep-Sky Objekte wie Cluster, Nebel oder Galaxien muss eine andere Montage her: eine astronomische Nachführung!


Die astronomische Nachführung 

Das Prinzip ist einfach: Wenn man sich den Nachthimmel als rotierende Scheibe über der Erde (in wirklichkeit ist es ja umgekehrt!) vorstellt, muss eine Mechanik entworfen werden, die zwischen dem festen Erdboden und der Kamera eine betragsgleiche aber der Erdrotation entgegengesetzte Bewegung vollführt.

(Ich breche die komplizierten Berechnungen hier absichtlich sehr stark herunter auf ein sehr einfaches Niveau. Man möge mir verzeihen. Ich habe mir über Jahre hinweg das Wissen hierfür auch nur aus diversen Internetquellen zusammengetragen. Wenn ich absoluten Schwachsinn erzähle, dann distanziere ich mich bereits proaktiv davon und behaupte das Gegenteil :-)   )

Die Montagevorrichtung wird auf den Himmelspol ausgerichtet (in der nördlichen Hemisphäre in der unmittelbaren Nähe des Polarsterns), der Fixpunkt und Mittelpunkt der Bewegung, ist. Die Rotationsgeschwindigkeit ist mehr oder weniger 1 Umdrehung/Tag. Die Neigung, in der die Rotationsachse zu justieren ist, entspricht der geografischen Breite des individuellen Standorts.

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Im Bild im Zentrum: der Himmelspol. Der restliche Nachmittel rotiert um diesen Punkt.

 

Der "einfachste" Weg, eine solche Nachführung zu erreichen: Man gewinnt im Lotto oder heiratet reich oder erbt - und kauft sich eine fertige Konstruktion. Komplett mit Stativ, Motor, GPS-Positionsbestimmung, automatischer Ausrichtung auf eine Bibliothek von Himmelskörpern, Kaffeespender und Heizdecke...etc... gibts das schon für unter 3000 EUR :-)

Das war mir zu teuer.
Für Amateure (im positiven Sinne) und Belichtungszeiten im Minutenbereich bei Brennweiten bis 200mm kann eine solche Nachführung mit Aufwand von wenigen EUR selbst zusammengeschraubt werden.


Die Barndoor-Montage

Für die sog. Barndoor("Scheunentor")-Montage genügen zwei ausreichend stabile Holzbretter, ein reibungsarmes Scharnier, eine Gewindestange, ein Stativ, ein Stativkopf und ein wenig Krimskrams. Die beiden Bretter werden mit dem Scharnier zusammengeschraubt. In einem bestimmten Abstand (je nach Durchmesser und Gewindesteigung der Gewindestange) wird durch das untere Brett ein Loch gebohrt, eine Mutter eingeschlagen und die Gewindestange eingeschraubt. Die Kamera wird auf dem oberen Brett montiert und das ganze Konstukt auf einem beliebigen Stativ oder Unterbau befestigt und auf die Neigung der geografischen Breite gebracht und danach auf den Polarstern ausgerichtet. Fertig.

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Während der Belichtung wird nun die Gewindestange laaaaangsam und gleichmäßig durch das untere Brett gedreht, so dass das obere Brett angehoben wird. Durch die Verbindung mit dem Scharnier fährt nun jeder Punkt des oberen Bretts (und somit auch die aufgeschraubte Kamera) eine Kreisbahn. Und wenn alles zusammenpasst, dann ist das nun genau die Bewegung, die wir erzielen wollten! Üblicherweise sind Steigung der Gewindestange und Abstand der Bohrung zum Angelpunkt so, dass die Gewindestange mit 1 U/Min eingedreht werden muss - also synchron zum Sekundenzeiger einer Uhr...  Da braucht's ein ruhiges Händchen und Geduld, bis die ersten Aufnahmen gelingen. Sinnvoll sind hier Belichtungen bis 30 Sekunden, die dann wiederum mittels des Stacking-Verfahrens addiert werden können.

Mit der oben gezeigten Holzbrett-Montierung ist dieses Bild entstanden - mit einer Belichtungszeit von 17 x 30s und 200mm:

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Für Nachbauer:
Einfach mal Googeln nach "Barndoor" "Montierung" - in unterschiedlichen Foren, die ich nicht direkt verlinken will, gibts einfache Bauanleitungen - komplett mit Maßen und Einkaufslisten.

 

 


 

Motorisierte Nachführung

Die einfachste Form der astronomischen Nachführung lässt sich durch verschiedene Evolutionsstufen weiter verbessern - Knackpunkt bleibt aber in jeder Stufe die Rotation der Gewindestange per Hand. Besonders im Winter, wenn der Nachthimmel besonders klar ist, ist das händische Drehen eine Qual! Man kniet neben dem Stativ, ein Auge auf der Uhr der Langzeitbelichtung, eines auf dem Finger, der versucht trotz des Zitterns möglichst gleichmäßig zu drehen....und merkt nach 90 Minuten Konzentration, dass die Hose am Erdboden festgefroren ist und man die Finger nicht mehr beugen kann...

Die logische Konsequenz: ein Motor muss her, der diese Gewindestange in präzise 1 U/Min dreht. Klingt einfach. Motoren gibts ab 1 EUR. Nur: eine Präzision von "ungefähr" oder "ca" 1 U/Min reicht hier nicht. Das muss EXAKT 1 U/min sein! Und vor allem: Ohne Steckdose! Mitten auf dem Acker! Gleichbleibend konstant - auch bei Frost, schwindender Batteriespannung, minimalen Reibungsunterschieden an der Gewindeachse....

Meine letzte Evolutionsstufe einer handgefertigten Nachführung nutzte einen stark untersetzten 12V-Getriebemotor mit manueller Steuerung der Batteriespannung - auf einem massiven windfesten Unterbau. 

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Ein kurzes Video zur Funktionsweise liegt hier bereit ( ca 95 MB) VIDEO

Damit kann zwar keine Präzision eines Schweizer Uhrwerks erreicht werden - insbesondere die Motordrehzahl muss bei jedem Einsatz neu eingestellt werden. Hier spielen Ladezustand der Batterien, Temperatur (auch: Erwärmung der Batterien und des Motors während des Betriebs...) eine Rolle - aber mit der motorisieren Variante der Selbstbau-Barndoor konnten nun erstmals große Mengen an RAWs geschossen werden.


Letzte Stufe bislang: Kauf.
Der Schwachpunkt der eigenbau-Konstruktion war in meinem Fall die Verbindung von Motor und Gewindestange. Sind diese beiden Bauteile nicht absolut perfekt axial verbunden, so erfährt die Bewegung der Steigung eine periodiche Unwucht - was im massiv Ausschuss an fehlerhaft nachgeführten Bildern erzeugt. Ich bin kein Meister im Gewindeschneiden - und ab einem gewissen Punkt war keine Verbesserung der Konstruktion mehr zu erreichen. Ich habe damals beschlossen, nach einer professionellen astronomischen Nachführung Ausschau zu halten. Bei Ebay kontte ich zwei günstige jeweils teildefekte Fernrohr-Montierungen ersteigern, die mit einem Motor nachgerüstet werden konnten. Die beiden Nachführungen wurden mit den jeweils besser erhaltenen Teilen zu einer funktionierenden Nachführung "verschnitten" - und diese verrichtet seitdem ihren Dienst. (unten im Bild mit montiertem Teleskop)

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So läuft ein Shooting ab

Mit der EOS 6D und 7DMkII am Start nutzte ich den größtenteils kalt-klaren Nachthimmel von 20.02.2015 für den Test: was kann eine Kamera, die von der ganzen Bauart her für "Action" ausgelegt ist, in der Astrofotografie leisten.

Kann eine Canon EOS 7D Mark II überhaupt astronomisch eingesetzt werden?

Ja. Sie kann.

Klarer Himmel bei 3° C. Wolkenlos. Trocken.
Ideale Bedingungen. Gesundheitlichen Einschränkungen geschuldet bleiben mir nächtliche Ausflüge ins freie Feld mittlerweile unglücklicherweise verwehrt - ich muss meine Stellung auf dem heimischen Balkon in der Innenstadt beziehen. Sicht von SüdOst bis SüdWest - aber leider Innenstadt. Viel Kunstlicht. Leider.

Die Wunderwaffe für solche Zwecke: ein "CLS"-Filter von "Astronomik". Der CLS-Filter (http://www.astronomik.com/de/visual-filters/cls-filter.html) reduziert das Kunstlicht und verstärkt die astronomischen Kontraste. Ich besitze die Version als Clip-In-Filter für die EOS-Kamera. Der Filter wird hinter dem Objektiv ins Gehäuse geklemmt und sitzt dort straff und sicher. Vorteil: Insbesondere bei Langzeitbelichtungen wird Staub vom Senor ferngehalten. Und: Ich muss nicht für jedes Objektiv einen seperaten Filter beschaffen! Bis auf die tiefer gebauten EF-S kann das Objektiv vor dem Filter beliebig gewechselt werden.

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Die Astro-Montage war auf dem Balkon schnell aufgebaut und ausgerichtet - "Ich hab das schon mal vorbereitet...."

Eine Astro-Nachführung auf einem Südwärts gerichteten Balkon gegen den Polarstern auszurichten...ist sportlich. Nein. Ist rein "auf Sicht" unmöglich! Eine Ausrichtung mit GPS und Kompass ist in diesen Einsatzzwecken auch nicht möglich - hier muss anders vorgegangen werden (google: "Scheiner-Methode"). Das "Einscheinern" einer Montierung ist jedoch nichts, was man mal eben nebenbei machen kann. Das braucht schon Stunden. Ich habe meine Montage also mittlerweile zu einer nahezu-Stationären-Montage umgebaut. Markierungen am Boden zeigen den genauen Standort des Unterbaus, Markierungen an den Stativfüßen und allen anderen beweglichen Teilen helfen beim schnellen Aufbau. Die Montage kann in weniger als 10 Minuten betriebsbereit gestellt werden... (Anmerkung speziell zum 20.02: "...wenn die Batterien ausreichend Saft haben...und nicht die Ersatzbatterien iiiirgendwie in ner Taschenlampe gelandet wärenn" --> LIDL sei Dank: irgendwann war die Montage dann wirklich einsatzbereit)

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In der aktuellen Ausbaustufe fungiert eine zweite Kamera als Gegenwicht für die Hauptkamera. 6D und 7D MkII können also gleichzeitig parallel betrieben und nachgeführt werden.

Konkret wurde die EOS 7DMkII mit dem Canon EF 200mm 2.8L USM II bestückt - gesteuert von einem programmierbaren Kabel-Fernauslöser. (hier auf den Fotos steckt gerade das 90er an der 7D)

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Im Bulb-Mode wird die Kamera im Intervall von 1 s mit jeweils 30 sekunden Belichtungszeit gestartet - das ganze für eine vordefinierte Anzahl von Bildern.

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Die ersten RAWs wurden mit ISO 800 geschossen, dann mit ISO 1600 und abschließend nochmals ca. 150 RAWs mit ISO 3200. Wohlgemerkt: immer vom selben Motiv!
Zwischendurch musste einmal der Kamera-Akku getauscht werden - was leider eine Neueinstellung der Fokussierung mit sich brachte....und Ausschuss produziert hat, weil ich (warum auch immer) für das erneute Scharfstellen 15 Testaufnahmen gebraucht hatte.

Stichwort Fokussierung:
Sowohl 6D als auch 7D sind im Okular hell genug, um die größeren Sterne scharfstellen zu können - aber mein Vorgehen ist dennoch ein anderes:
Live-View! Für Astro-Fotos bin ich mit der Kamera permanent im Live-View. Das Scharfstellen geht so wesentlich präziser: einfach den Live-View in die maximale Vergrößerung stellen und dort auf einen beliebigen sichtbaren Stern im Zentrum scharfstellen. Während der eigentlichen Aufnahmen verbleibt die Kamera ebenfalls im Live-View. Somit ist sichergestellt, dass der Spiegel zum Start der Aufnahme bereits hochgeklappt ist. Die Erschütterung durch den Spiegelschlag wird vermieden.

 

Nach den Aufnahmen der sog. "Light-Frames", also der Bilder mit tatsächlichem Lichteinfall, schiesse ich noch eine Reihe von sog. "Dark-Frames". Hier wird nur das elektronische Grundrauschen des Sensors erfasst - das Objektiv wird abgedeckt. Diese Darkframes helfen letztendlich der Software bei der Auswertung, welche "Störpixel" aus dem Bild gelöscht werden können, weil diese Pixel keinerlei Lichtinformation aus der Motiv sind, sondern elektronisches Störfeuer, das direkt aus dem Sensor entspringt. Streng nach der Logik (so geht auch die Kamerainterne Langzeitrauschreduzierung vor) müsste das Dark-Frame eigentlich jeweils direkt nach dem Lightframe geschossen werden. Damit würde das beste Ergebnis in der Entrauschung erzielt werden...


Während der Aufnahmen kontrolliere ich alle ca 15 Minuten ein Bild direkt an der Kamera - stimmt die Nachführung noch? Haben sich die Lichtverhältnisse geändert? Beschlag am Material kann in kalten Nächten auch ein Thema sein... - Aber im Großen und Ganzen läuft das "Knipsen" nahezu selbstständig ab.

 

Im Anschluss der Arbeit auf dem Balkon importiere ich die Bilder auf den Mac - und gebe die RAWs dort direct in die Stacking-Software (Ich nutze DeepSkyStacker - kurz DSS - http://deepskystacker.free.fr/german/index.html), wo die Lighframes addiert und die Darkframes zur Entrauschung subtrahiert werden. Dabei werden schon gut und gerne mal 300 RAWs mit je 30MB verarbeitet (pro Motiv!). Das kann schon mal ein paar "Minuten" dauern und einiges an GB an Platz brauchen. DSS analysiert die Bilder, wertet anhand der Anzahl erkannter Sterne auf den RAWs die Qualität der Nachführung aus, und zieht dann einen voreingestellten Prozentsatz der besten Aufnahmen für das Stacking heran. Irgendwann ist dann das finale Bild bereit - wird als TIF gesichert, und bei mir nochmals in Adobe Lightroom importiert. Dort erfolgt der finale Zuschnitt und verschiedene Anpassungen (...die so individuell sind, dass ich hier kein Kochrezept darstellen mag...).

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... und irgendwann...wenn ich einigermaßen zufrieden bin, entspringt aus 4 Stunden Arbeit ein einziges Foto. Ein Foto, das man sicherlich in weniger als 10 Minuten in Photoshop & Co. aus einer leeren Fläche mit diversen Füllinstrumenten, Pinseln, Schablonen erstellen könnte - aber eben ein Bild, das noch mit einigermaßen Handwerk, Geduld und Muße erschaffen wurde. Ein Abbild einer unvorstellbaren Realität. Einer Realität, die eigentlich keine ist: Die meisten der Sterne, die solche Bilder zeigen, existieren nicht mehr. Ihr Licht ist so lange unterwegs, dass es als das Vermächtnis längst vergangener Zeiten auf unserer Erde ankommt. Da ist's mir doch den Aufwand wert, den so ein Foto verlangt... Ich hab Spaß dran!